FRIEDENSMISSIONEN DER VEREINTEN NATIONEN: GELEBTER MULTILATERALISMUS

Die Vereinten Nationen sind der größte Friedensdienstleister der Welt. Der Sicherheitsrat hat laut der VN-Charta die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Zur Umsetzung dieser Verantwortung kann er Friedensmissionen mandatieren. Diese Mandate werden vom VN-Generalsekretariat umgesetzt, Truppen und Polizeikräfte von VN-Mitgliedstaaten gestellt. Friedenserhaltende Operationen (Peacekeeping) sind ein Markenzeichen der Vereinten Nationen. Oftmals sind Friedensmissionen in Konfliktgebieten das einzige internationale Instrument, um Menschen zu schützen und erste Schritte hin zur Stabilität sicherzustellen. Derzeit sind rund 100.000 zivile und uniformierte Peacekeeper aus 124 Ländern in 14 Peacekeeping-Missionen im Einsatz – mehrheitlich in Afrika, aber auch im Nahen Osten, in Haiti, Kosovo und zwischen Indien und Pakistan. Der VN-Jahreshaushalt für Friedensmissionen (2019/20) beläuft sich auf rund 6,77 Mrd. US-Dollar und wird aus Pflichtbeiträgen der Mitgliedstaaten bezahlt. Deutschland ist viertgrößter Beitragszahler. Der Kerngedanke des Peacekeeping ist einfach: Eine überparteiliche, von den Vereinten Nationen legitimierte Präsenz soll in einem Konflikt – je nach Mandat – zum Abbau von Spannungen, zum Schutz von Zivilisten, zur Einhaltung von Menschenrechten, zur Sicherung der Bereitstellung von humanitärer Hilfe und zum Erhalt von Frieden beitragen. Die Staatengemeinschaft ist aufgerufen, sich an der Umsetzung, z. B. durch die Bereitstellung von Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und Polizisten oder von Fähigkeiten sowie an der Finanzierung der Friedensmissionen zu beteiligen. Peacekeeping zugrundeliegende Grundsätze sind Unparteilichkeit, Einverständnis der Konfliktparteien, Nichtanwendung von Gewalt – mit Ausnahme der Selbstverteidigung und zur Erfüllung des Mandats. Friedensmissionen sollen stabilisieren und deeskalieren und damit Raum und Zeit schaffen für politische Lösungen. Sie können diese politischen Lösungen aber nicht ersetzen. Seit 1948 wurden insgesamt 71 solcher Missionen entsandt.

Die erste Mission – die United Nations Truce Supervision Organization (UNTSO) zur Überwachung des Waffenstillstands zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn – wurde im Juli 1948 mandatiert. Sie ist bis heute im Einsatz. Mit dem Wandel der Konfliktnatur ist auch ein Wandel von Friedensmissionen einhergegangen: Die Mehrheit der heutigen VN-Friedensmissionen sind sogenannte „multidimensionale“ Einsätze mit vielfältigen militärischen, polizeilichen und zivilen Aufgaben. Neben den VN-geführten Friedensmissionen („Blauhelme“) kann der Sicherheitsrat auch eine Gruppe von Staaten oder Regionalorganisationen (zum Beispiel Afrikanische Union, EU, NATO oder die OSZE) zur Entsendung einer Friedensmission mandatieren; oder er kann die Entsendung einer „besonderen politischen Mission“ beschließen, die zum Beispiel Mediationsunterstützung, Rechtsstaatsförderung, Überprüfung der Umsetzung von Friedensabkommen oder etwa die Beobachtung der Menschenrechtslage leistet.

#Action4Peacekeeping

Das VN-Generalsekretariat ist für die organisatorische Umsetzung und Koordinierung von VN-Friedenseinsätzen verantwortlich. Generalsekretär Guterres hat seit seinem Amtsantritt Anfang 2017 umfassende Reformen der Vereinten Nationen eingeleitet, die nun umgesetzt werden. Leitbild ist die Idee des „Sustaining Peace“.

Unter dem Schlagwort „Action 4 Peacekeeping“ wurde im September 2018 eine Erklärung von 150 Staaten angenommen, die gemeinsame Verpflichtungserklärungen enthält, mit denen Peacekeeping effektiver und effizienter auf die Bedürfnisse der Konfliktlösung ausgerichtet wird. Deutschland treibt die Weiterentwicklung von Peacekeeping und die Umsetzung der „Action 4 Peacekeeping“-Agenda voran. Bei Befassungen des Sicherheitsrats mit Friedensmissionen setzt sich die Bundesregierung für effektive Mandate ein.

Ein Kernaspekt ist ein umfassendes Konfliktverständnis: Stabilisierung und Friedensförderung müssen von Anfang an mitgedacht werden, um einen potentiellen Konfliktrückfall von vornherein zu vermeiden. Daher müssen der Sicherheitsrat und die Vereinten Nationen insgesamt auch strukturelle Konfliktursachen und Konfliktkatalysatoren, wie z. B. den Klimawandel, Menschenrechtsverletzungen oder Pandemien wie COVID-19, stärker in den Blick nehmen.

Auszug VN-Charta

Artikel 1

Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:

1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen.